Großen Krieg mit Russland vermeiden

Johannes Varwick: ‚Wir werden einen Kompromiss mit Russland finden müssen‘, t-online, 6.7.2022

von KARENINA
Varwick bei t-online: Großen Krieg mit Russland vermeiden

Johannes Varwick ist gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für baldige Friedensverhandlungen: „Zynisch ist, so zu tun, als ob man mit immer mehr Waffenlieferungen die Ukraine ertüchtigen könnte, gegen Russland zu bestehen. Das Gegenteil ist der Fall: Es wird dazu führen, dass Russland seine Eskalationsmöglichkeiten wie etwa seine nuklearen Fähigkeiten immer weiter ausschöpft.“

Für solche Äußerungen musste der der Politikwissenschaftler, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg einen Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und europäische Politik innehat, viel Kritik einstecken. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, nannte ihn „echtes Arschloch“.

Varwick sorgte sich im Interview mit t-online um die Frage, wann der Punkt komme, „wo Russland die Militärhilfe tatsächlich als Kriegserklärung gegen sich versteht?“ Er sehe zwei Szenarios: Entweder Putin werde gestürzt, „was unwahrscheinlich ist. Oder Russland würde zu noch härteren Mitteln greifen, etwa taktische Nuklearwaffen gegen die Ukraine einsetzen. Das bedeutet nur noch mehr Opfer. Deshalb sind Verhandlungen die einzige Lösung.“ Der derzeitige Weg führe nicht zum Erfolg.

Varwick glaubt nicht, dass Russland seine Aggression nach einem schnellen Sieg gegen die Ukraine gegen das Baltikum gerichtet hätte. Dort stünde Moskau der Nato gegenüber, die „um ein Vielfaches stärker ist als die russische Armee“ sei. „Wenn ich glauben würde, dass Russland im Baltikum weitermacht, müsste man über die Option eines großen Krieges mit Russland nachdenken. Wenn das so wäre, würde ich ihn auch führen.“ Das sei jedoch „keine realistische Lagebeschreibung. Die Abschreckung der Nato funktioniert.“

Die Ukraine sei „schlecht dran“, bedauert Varwick. Er stimme Herfried Münkler zu, der meint, die Ukraine werde „in diesem Krieg verloren sein“. Was nicht geschehen dürfe, sei, „in einen Krieg mit Russland zu schlittern. Wir werden am Ende einen Kompromiss mit Russland finden müssen.“

Wir hätten „andere Interessen als die Ukraine“, sagt Varwick. „Wir dürfen uns nicht als Marionette einer ukrainischen Regierung verstehen, sondern müssen unsere eigenen Ziele verfolgen.“

Diese Ziele seien: großen Krieg mit Russland vermeiden, die Ukraine unterstützen, Sanktionen und Isolierung Russlands. „Das erste Ziel ist das wichtigste.“ Würde das im Westen anders gesehen, „hätten wir eine Flugverbotszone und würden Kampfpanzer liefern“.

Einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen fordert Varwick nicht. Aber das sei nicht das wichtigste. Entscheidend sei die Frage, wie dieser Konflikt politisch gelöst werden könne. „Waffenlieferungen können strategisch verantwortbar sein, aber nicht, wenn sie einen aussichtslosen Kampf verlängern.“

Frieden bedinge eine Lösung, „mit der auch das Putin-Regime leben kann. Sonst sind wir in einem Dauerkrieg.“ Es gehe um einen Kompromiss, „der nicht dauerhaft alle glücklich machen wird“. Zu akzeptieren sei, dass „die Krim russisch ist und auch der Donbass zumindest russisch beansprucht ist. Der dritte Punkt dieser Verhandlungslösung wäre, dass die Ukraine nicht ins westliche Lager kippt, weder militärisch noch politisch.“

Russland dürfe das aber „nicht geschenkt bekommen. Es geht um einen Modus Vivendi, bis eine Regierung in Moskau im Amt ist, mit der man neu verhandeln kann.“  PHK

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