Dumawahlen: ‚Gewöhnt daran, betrogen zu werden‘

Deutsche Kommentatoren beklagen Unregelmäßigkeiten, einer hat noch einen Rest Hoffnung

Russland hat gewählt. Entgegen den letzten Prognosen landete Wladimir Putins Partei Einiges Russland bei rund 50 statt unter 30 Prozent und wird wieder die meisten Volksvertreter in der Duma stellen, etwa zwei Drittel. Die Kommunisten um Gennadi Sjuganow kamen auf etwa ein Fünftel der Stimmen. Die LDPR, Partei des Nationalisten Wladimir Schirinowski, und die Partei Gerechtes Russland lagen kurz vor Ende der Auszählung bei etwa 7,5 Prozent. Neu in der Duma scheint die Partei Nowyje Ljudi („Neue Leute“) zu sein. Die Wahlbeteiligung lag bei weniger als 50 Prozent.

Vor den Wahlen haben unabhängige Quellen in Russland und deutschsprachige Medien beklagt, dass zahlreiche Oppositionspolitiker nicht antreten durften. Nun berichteten sie von zahlreichen Unregelmäßigkeiten und Wahlfälschungen, darunter sogenannte Füllungen (Wbros), der Versuch, unbemerkt Wahlzettel in die Urnen zu stecken. „Gelang aber nicht immer“, kommentiert Michael Thumann auf ZEIT online. Weil Wahlbeobachter der OSZE sowie der Organisation Golos de facto nicht zugelassen waren, übernahmen Zivilisten und Journalisten es, Verstöße zu filmen oder zu fotografieren und über die sozialen Medien zu verbreiten. Thumann nennt das „erfreuliche Realität: Die russische Zivilgesellschaft ist noch lange nicht erstickt.“

Die FAZ (Reinhard Veser) sieht Russland „auf dem Weg in die Diktatur, in der die Machthaber das ganze öffentliche Leben unter Kontrolle bringen wollen“.

Silke Bigalke kommentierte in der Süddeutschen Zeitung: „Kein Mensch braucht eine solche Wahl wie die zur russischen Staatsduma an diesem Wochenende.“ Die Wahl diene nicht den Menschen, sondern „allein dem Kreml. Der möchte demonstrieren, dass eine überwältigende Mehrheit weiterhin die Kremlpartei stützt.“ Tatsächlich entfalte deren Sieg eine „lähmende Wirkung“ in der Opposition, urteilt Bigalke in ihrem Beitrag, der auch in den Schweizer Zeitungen Der Bund und im Tagesanzeiger erschienen ist. Zumal die Wählerschaft Alexei Nawalnys Angebot des smart voting (kluges Wählen des aussichtsreichsten Kandidaten jenseits von Einiges Russland) nicht genutzt habe: „In der zerrupften russischen Opposition kämpft seit Jahren jeder für sich. Den Menschen, die bereit wären, gegen den Kreml zu stimmen, kann das kaum Mut machen.“

Auf Kritik stieß auch, dass etwa 150 000 Menschen mit russischem Pass aus den ostukrainischen Separatistengebieten nach Rostow am Don gefahren wurden, um dort zu wählen – vermutlich sichere Stimmen für Einiges Russland.

Die Deutsche Welle urteilte: „Diese Wahlen waren für Russlands Machtelite eine Art Stresstest, der die Reihen schließen sollte. Aus ihrer Sicht ist er glimpflich ausgegangen“, so Christian F. Trippe. „Aus Sicht all derjenigen aber, die in Russland ernsthaft für politische Alternativen arbeiten, war diese Wahl keine Wahl. Sondern ein weiterer Schritt auf dem Weg in einen Staat, dessen demokratisch getünchte Fassaden den autokratischen Kern nur noch notdürftig überdecken.“

„Der Zar ist nackt, aber keiner sagt was“, bedauert Thomas Franke im SWR. Er rechnet trotz des „diesjährigen Kasperltheaters“ nicht mit Massenprotesten wie 2011. „Die Aktivisten von damals sind entweder frustriert verstummt oder mundtot gemacht worden, ins Ausland geflohen oder im Knast.“ Und die Russen insgesamt? „Die Menschen sind daran gewöhnt, betrogen zu werden, nicht erst seit 2011.“  PHK

Lesen Sie auch den KARENINA-Kommentar von Johannes Grotzky.

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