Dumawahl: Wenig Unterstützung für Einiges Russland
Janis Kluge, Leslie Schübel über den Sieg von Einiges Russland im „stark manipulierten Urnengang“, SWP-Aktuell, 14.10.2021
Den „stark manipulierten Urnengang“ der Dumawahlen im September analysieren Janis Kluge und Leslie Schübel. Putins Partei Einiges Russland habe mit knapp 50 Prozent der Stimmen 324 der 450 Sitze in der Duma errungen und verfüge weiter über eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament, „obwohl sie in der Bevölkerung wenig Unterstützung genießt“.
Kluge und Schübel beklagen „umfangreiche Wahlfälschungen“, Behinderungen von politischen Konkurrenten und Wahlbeobachtern sowie „kompromisslose Härte gegen oppositionelle Politiker und unabhängige Medien“, insbesondere gegen Alexei Nawalnys inzwischen verbotene Antikorruptions-Stiftung und deren Strategie des „Smart Votings“; auch Google und Apple seien letztendlich der Zensur unterlegen. Die kremltreue Wählerklientel habe dagegen vor der Wahl einmalige Bonuszahlungen erhalten.
Betrugs- und Manipulationsmöglichkeiten hätten sich durch die Ausweitung der elektronischen Stimmabgabe (E-Voting) ergeben: Umschreiben von Ergebnissen, erzwungene Mobilisierung der trägen und unpolitischen Staatsbediensteten durch Kontrolloptionen, Einschränkung der Privatsphäre und dadurch Selbstzensur, Teilnahmeoption für loyale Wählergruppen außerhalb Russlands, etwa im Donbas.
KPRF und Nowyje Ljudi: keine Bedrohung für den Kreml
Erstarkt sei die Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), neu eingezogen die Partei Nowyje Ljudi (Neue Menschen). Sie „vervollständigt als fünfte Fraktion die reichlich angestaubte kremltreue sogenannte Systemopposition“, schreiben Kluge und Schübel. Zwar stehe der russische Unternehmer Alexei Netschajew an der Spitze von Nowyje Ljudi, die Partei sei aber „am Reißbrett im Kreml entstanden, „um Unzufriedenheit in der Bevölkerung in die Bahnen des kontrollierten Parteiensystems zu lenken“. Putin nahestehende Unternehmer und ihre Medienhäusern hätten die neue Partei unterstützt.
Die KPRF habe ihren Stimmenzuwachs ihren Spannungen mit der Zentralen Wahlkommission zu verdanken, die Proteste hätten der Partei „größere Glaubwürdigkeit verliehen“. Nach der Zerschlagung von Alexei Nawalnys Netzwerk „ist die KPRF zudem für einige Aktivisten und Protestwähler zur besten noch verfügbaren Anlaufstelle geworden. Gerade auf lokaler und regionaler Ebene ist auch unter dem Dach der systemtreuen KPRF mancherorts eine gewisse unabhängige politische Arbeit möglich.“
Beide Parteien, KPRF und Nowyje Ljudi, seien „keine Bedrohung für die russische Führung“, urteilen die Kluge und Schübel. Unterm Strich lauten ihr Urteil und Ausblick: Die Dumawahl belegte die geringe Unterstützung für Einiges Russland in der Bevölkerung. Regimekritische Russen versuchten „mangels Alternativen verstärkt, auch die kremltreue Systemopposition als politische Plattform zu nutzen. Besonders der KPRF stehen deshalb innere Spannungen bevor, wenn die Neuzugänge die Partei in eine radikalere Richtung bewegen, als es der Führung recht ist.“ PHK
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