Auf Putin folgt der nächste Zar
Michail Schischkin: Gegen Russlands ewiges Machtsystem mit Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß, The Guardian, 21.8.2022
Auch Michail Schischkin verbreitet die Meinung, „im Westen will keiner mehr vom Krieg hören“. Die Menschen seien des Schreckens in und der Solidarität mit der Ukraine überdrüssig. „Sie wollen Ruhe, keine Preiserhöhungen, ein ruhiges Leben und einen schönen Urlaub.“ Etwas resigniert schreibt der russische Schriftsteller im Guardian: „Wie kannst du Blindheit heilen, wenn sie blind sein wollen?“
Der Krieg gegen die Nazis habe nicht mit Hitlers Tod geendet, sondern mit einer verheerenden militärischen Niederlage. Auch Putins Tod sei unvermeidbar, schreibt der Schriftsteller, aber Russlands Niederlage sei das nicht.
Putins Legitimität verfliege mit seiner Unfähigkeit, die Ukraine zu besiegen. Der nächste Zar werde sich wieder durch Siege beweisen müssen. Und wenn für diesen Putin die Drohung mit taktischen Nuklearwaffen nur ein Aspekt der hybriden Kriegsführung sei, könne der nächste Putin sie einsetzen, um die Macht zu sichern.
Der Zar oder der nächste Putin könne nämlich nicht aus seiner Rolle, die von der russischen Machtstruktur vorgezeichnet sei und sich nicht darum schere, wie viele Menschen sterben oder ob sein eigenes Volk glücklich ist. Schischkin schreibt: „Es ist höchste Zeit, dass die freie Welt erkennt, dass sie nicht gegen einen verrückten Diktator kämpft, sondern gegen ein autonomes und sich selbst regenerierendes aggressives Machtsystem.“
Deshalb werde früher oder später Aussagen nötig sein wie jene schonungslos ehrliche und tragische von Winston Churchill: „Ich habe nichts anzubieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß.“ Statt schöner Feiertage müssten sich die europäischen Wähler „auf große Opfer, Kampf und Mühsal einstellen, denn das ist der Preis, den wir für den Frieden zahlen müssen“. PHK