„Uns verbindet mehr, als uns trennt“

Fünf Fragen an Manfred Nawroth

Co-Koordinator der Arbeitsgruppe Kultur des Petersburger Dialogs

Wo stehen wir im deutsch-russischen Verhältnis?

Aus dem Erfahrungen und Eindrücken im Kulturbereich kann ich als Co-Vorsitzender der AG Kultur nur immer wieder bestätigen, dass das deutsch-russische Verhältnis auf der Fachebene Kultur nie besser war als heute. Es ist nach vielen Jahren der vorsichtigen Annäherung heute durch und durch geprägt von tiefem Verständnis und gegenseitigem Vertrauen, ungehindertem Zugang zu kriegsbedingt verlagerten Beständen von Museen und Bibliotheken, einer großen Kooperationsbereitschaft im Bereich der Wissenschaften oder beim Austausch in Kunst, Musik und Literatur.

Natürlich stehen große politische Themen und auch diametral unterschiedliche Haltungen wie in Fragen von weltweiten militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Staaten, aber auf gesellschaftlicher Ebene verbindet beide Völker mehr als sie trennt.

Nach 30 Jahren Vernunftehe scheint die deutsch-russische Liaison zerrüttet. Lohnt sich eine Mediation?

Kommunikation ist stets das Mittel der Vernunft und der Auflösung von Dissens in der Sache. Ob es im deutsch-russischen Verhältnis, das viel mehr als eine Liaison ist, vielmehr eine gewachsene Freundschaft, einer Mediation bedarf, will ich offen lassen. Es müssten die richtigen Personen mit dem nötigen Weitblick zusammenkommen und ein verbindliches Verhandlungsmandat haben,  damit wäre schon viel zu gewinnen. Die Zerrüttung ist vor allem im politischen Bereich erfahrbar, während in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nach wie vor ein Konsens zwischen Menschen und Einrichtungen beider Länder spürbar ist.

Was trennt, was eint Russen und Deutsche heute?

Die Jahrzehnte der gegenseitigen Unterstützung und Befruchtung mit Ideen in allen Wissens-, Wissenschafts- und Kulturbereichen eint beide Völker schon immer. Nicht ohne Grund nennen wir unsere langjährigen Kooperationsvorhaben im Bereich der in Folge des Zweiten Weltkriegs in die Sowjetunion verlagerten Museumsgüter im Untertitel immer auch „Europa ohne Grenzen“. Das zeigt, wie die Russen sich selbst einordnen, wo es große Gemeinsamkeiten gibt und wo wir voneinander und miteinander in der Menschheitsgeschichte gewachsen sind. Eine groß angelegte Ausstellung zu diesem Thema hat dies 2012–13 mit Präsentationen in Moskau und Berlin umfassend aufgegriffen. Ohne Frage haben aber die schrecklichen Ereignisse vor, in und nach dem 2. Weltkrieg für immer eine tiefe Furche in dem Verhältnis hinterlassen, aber auch die russische Bevölkerung ist von einem Geist der Versöhnung geprägt. Und die deutsche Seite muss diesen tiefen Einschnitt immer mit Demut wachhalten.

Was wird das wichtigste Thema Ihrer Arbeitsgruppe im kommenden Jahr?

Der Austausch und die Zusammenarbeit im Bereich der Kultur – Museen, Musik, Literatur, Erinnerungskultur, Film – werden wie in den Jahren zuvor das Arbeitsprogramm der AG Kultur prägen. Welche Schwerpunkte sich dabei herausbilden lassen, hängt natürlich auch davon ab, wie sich die Pandemie und damit auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit entwickeln werden.

Wagen Sie eine Prognose: Wie sieht das deutsch-russische Mit- oder Gegeneinander in zehn Jahren aus?

Wie vor zehn Jahren ist der Blick in die Zukunft verbunden mit einer großen Hoffnung, dass das Miteinander dieser beiden wichtigen Partner nicht durch internationale Konflikte beeinträchtigt wird und sich auch die Weltlage um die Weltmächte herum zu einer Friedenspolitik verständigen kann.

Ich setze wie immer auf die große Kraft der Kultur, die immer verbindet und bislang noch nie getrennt hat, zumindest nicht im deutsch-russischen Verhältnis.

 

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