Putin

Putins deutscher Freund

Matthias Warnig, einzige Ausländer unter Putins Vertrauten mit wichtigen Aufgaben in der Wirtschaft

Der Deutsche bei Nord Stream: Matthias Warnig

Den deutschen Manager Matthias Warnig kennt in Russland kaum jemand. Dabei ist er einer der mächtigsten Ausländer in der russischen Wirtschaft: Warnig sitzt in den Aufsichtsräten der größten Unternehmen des Landes: der Großbank VTB, des Ölkonzerns Rosneft, der Pipeline-Gesellschaft Transneft, der Gazprom Schweiz und des Fußballvereins Schalke 04, dessen Hauptsponsor wiederum Gazprom ist.

Seine für den Kreml derzeit wichtigste Aufgabe aber übt Warnig in der Schweiz aus. Er ist Vorstandsvorsitzender der in Zug angesiedelten Nord Stream 2 AG, einer Gazprom-Tochtergesellschaft, die versucht, den Bau der heftig umkämpften Erdgasleitung durch die Ostsee fertigzustellen.

Derzeit sieht es so aus, als könnte das gelingen. Die Amerikaner haben entschieden, ihre Sanktionen zumindest vorerst nicht auf die Nord Stream 2 AG und Warnig persönlich auszuweiten. Dies könnte sich aber jederzeit wieder ändern, und auch die verhängten Maßnahmen gegen beteiligte russische Schiffe und Unternehmen können den Bau weiter verzögern. Endgültig entschieden ist der Kampf um die Pipeline noch nicht.

Wo Putin und Warnig sich kennenlernten

Dass Warnig, der auch schon beim Bau der Schwesterleitung Nord Stream 1 die Federführung hatte, als Deutscher derart zentrale Posten in Russland bekleidet, wäre ohne seine Freundschaft zu Präsident Wladimir Putin nicht denkbar. Wie lange genau die beiden sich schon kennen, ist nicht ganz klar; es gibt darüber mehrere Versionen.

Eine lautet, Putin und Warnig hätten sich schon in Dresden kennengelernt, kurz vor dem Fall der Mauer. Der aus der Niederlausitz stammende Warnig war damals hochdekorierter Stasi-Agent, der in Düsseldorf Industriespionage betrieb, und Putin war in Dresden als Offizier des sowjetischen Geheimdienstes KGB stationiert.

Das Wall Street Journal machte 2005 Warnigs Stasi-Vergangenheit öffentlich und berichtete, er habe 1989 in Dresden für Putin Agenten rekrutiert. Warnig hat zurückgewiesen, Putin schon damals kennengelernt zu haben; für ein Gespräch mit der FAZ stand er nicht zur Verfügung. Über seine Stasi-Vergangenheit spricht er ungern, überhaupt tritt er selten öffentlich auf und hält sich selbst auf Fotos, die von ihm kursieren, meistens am Rand.

Über die Freundschaft mit Putin sagt Warnig, diese habe erst 1991 in Russland begonnen. Warnig war 1990 von der Dresdner Bank angestellt, die er kurz zuvor noch ausspioniert hatte, und ein Jahr später nach Sankt Petersburg geschickt worden, um dort eine Niederlassung aufzubauen. Dafür brauchte er eine Genehmigung, die Putin erteilte; er arbeitete damals im Bürgermeisteramt und war für die Außenbeziehungen der Stadt zuständig, was der Beginn seines Aufstiegs war.

In den neunziger Jahren trafen sich Warnig und Putin oft, auch mit Ehefrauen und Kindern. Als Ljudmila Putina 1993 einen schweren Autounfall hatte, bezahlte die Dresdner Bank ihre Behandlung in Deutschland.

Der Wert von Freundschaften

Solche Freundschaftsdienste gelten in Putins Machtsystem viel: Für einen Geheimdienstler, der überall Verschwörungen und Verrat wittert, sind Menschen, denen er blind vertrauen kann, von größtem Wert. Deshalb sitzen auf vielen einflussreichen Posten der russischen Wirtschaft Männer, die Putin noch aus Sankt Petersburg oder Dresden kennt. Sie haben ihn über Jahrzehnte nicht enttäuscht; im Gegenzug vertraut der Präsident ihnen die Kontrolle der Großkonzerne an. Warnig gehört – als einziger Ausländer – zu diesem engen Kreis.

Als Putin im Jahr 2000 Präsident wurde, entwickelte sich die Dresdner Bank gerade zu einem der wichtigsten „Dealmaker“ der russischen Wirtschaft. Auch politisch heikle Aufträge nahm sie an: Als 2004 der Ölkonzern Yukos des Putin-Gegners Michail Chodorkowski zerschlagen und verkauft wurde, stammte die Bewertung der zentralen Vermögenswerte von der Dresdner Bank.

Ein Jahr später schlug Putin dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, Warnig mit dem Bau der ersten Nord-Stream-Pipeline zu betrauen. Damit gelang Warnig endgültig der Durchbruch: Als das umstrittene Projekt 2011 erfolgreich beendet wurde, erhielt er hoch dotierte Mandate in den wichtigsten russischen Unternehmen – teils gemeinsam mit dem SPD-Politiker Schröder, der seit 2017 den Aufsichtsrat von Rosneft leitet. Einige Jahre saß Warnig auch im Kontrollgremium der Bank Rossija, die von Juri Kowaltschuk, einem weiteren Putin-Freund aus Petersburger Zeiten, geleitet wird und als Hausbank der Machtelite gilt.

Vor einigen Jahren wollte der heute 65 Jahre alte Warnig sich eigentlich schon zurückziehen; mit seiner zweiten Ehefrau, einer Russin, bekam er 2014 noch ein Kind. Doch dann überfiel Russland die Ukraine, und der Westen reagierte mit Sanktionen, die auch Warnigs Unternehmen trafen. Ein Rückzug hätte im Denken der Geheimdienstler wie ein Verrat an Putin gewirkt. Also blieb Warnig, gab nur 2015 sein Mandat in der Bank Rossija ab und übernahm im selben Jahr die Leitung des Projekts Nord Stream 2.

Persönlich trafen ihn Sanktionen bisher nur einmal: 2018 musste er deshalb den Aufsichtsratsvorsitz im Aluminiumkonzern Rusal abgeben. Sollte Washington die nun ausgesetzten Maßnahmen gegen ihn doch noch erlassen, dürfte dies Warnig durchaus treffen, etwa das Geschäft seiner Immobilien- und Vermögensgesellschaft in Staufen im Breisgau, wo er seit Jahren mit seiner Familie lebt. Doch Warnig kann sicher sein, dass der russische Präsident ihn auch dann nicht fallen lassen würde.

Dieser Beitrag ist ursprünglich am 21.5.2021 in der Frankfurter Allgemeine erschienen. / © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

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