Wem gehört die Gruppe Wagner?
Die Söldnerfirma soll auch in Mali kämpfen, der Kreml bestreitet jegliche Verbindung
Die russische Söldnertruppe „Gruppe Wagner“, von der im Zusammenhang mit dem Mali-Einsatz, unter anderem der Bundeswehr, gerade die Rede ist, ist eigentlich kein Unternehmen. Es dürfte zumindest keines sein, denn in Russland sind private Militärfirmen offiziell verboten. Dennoch kämpften und kämpfen Wagner-Söldner in verschiedenen Ländern, in denen Russland Krieg führt oder Interessen hat. Etwa in der Ukraine, in Syrien und Libyen, Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Mosambik
Der Kreml weist jede Verbindung zu den Söldnern von sich, aber vieles deutet darauf hin, dass die Wagner-Truppe im Interesse Moskaus handelt und in Abstimmung mit dem Militär aktiv ist – immer dort, wo Russland offiziell nichts mit einem Konflikt zu tun haben oder nicht über getötete Soldaten berichten will. Wie in Syrien, wo Russland 2015 offiziell nur mit der Luftwaffe an der Seite von Diktator Assad in den Krieg eintrat. Später wurden Todesfälle regulärer Soldaten am Boden zugegeben.
Unklar ist hingegen, wie viele Wagner-Söldner allein in Syrien gefallen sind. Es dürften Hunderte sein, zahlreiche allein bei dem Versuch, im Februar 2018 eine von Assad-Gegnern gehaltene Ölanlage unter Kontrolle zu bringen. Sie wurden von der amerikanischen Luftwaffe zurückgeschlagen.
Ein früherer Wagner-Kämpfer klagte später über das russische Militär, das dem amerikanischen Kontaktmann versichert habe, an dem Angriff seien keine Russen beteiligt, um die offizielle Legende aufrechtzuerhalten. Zwar erhalten Wagner-Söldner laut zahlreichen Berichten russische Staatsorden und werden auf einem Gelände des Militärgeheimdienstes GRU im südwestrussischen Gebiet Krasnodar ausgebildet. Doch der Vorfall in Syrien zeigt die Grenzen der Verbindungen zum Militär: Freischärler bleiben Freischärler.
Die Gruppe Wagner und Putins Koch
Wagner rekrutiert besonders Männer mit Erfahrung in Militär und Sicherheitskräften. Sie sollen in Gefechtseinsätzen bis zu 3000 Euro im Monat verdienen können. Das ist in Russland enorm viel. Dennoch wurde mehrfach über Nachschubprobleme berichtet, wohl wegen der Gefährlichkeit der Einsätze. Diese dürften sich besonders für ihre Hintermänner lohnen: Sie sollen von den lokalen Auftraggebern mit Zugang zu Rohstoffen belohnt werden, etwa mit Diamanten- und Goldschürfrechten in Sudan und der Zentralafrikanischen Republik. Dort wurden bei Recherchen zu Wagner 2018 drei russische Journalisten ermordet.
Offiziell ist nicht klar, wem die Gruppe Wagner gehört. Ihr Name geht zurück auf den Spitznamen eines ihrer Kommandeure, des früheren GRU-Offiziers Dmitri Utkin, der in seiner Zeit bei Wagner im Kreml empfangen worden ist: Präsident Wladimir Putin ehrte Utkin, der eine Vorliebe für den Komponisten Richard Wagner haben soll, Ende 2016 als „Held des Vaterlands“.
Die Söldner werden aufgrund von Recherchen russischer Journalisten dem Putin-Weggefährten und Milliardär Jewgeni Prigoschin zugeschrieben. Er wird auch „Putins Koch“ genannt, weil sein Aufstieg mit einem Luxusrestaurant begann, das der Präsident gerne besuchte.
2002 brachte Putin den damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush mit in Prigoschins Sankt Petersburger Restaurant. Später gründete Prigoschin die Catering-Firma Concord. Bald bekam er große Staatsaufträge, belieferte Kindergärten, Schulen und die gesamte russische Armee, richtete bei Inaugurationsfeiern nach Präsidentenwahlen Festbankette im Kreml aus.
Über viele weitere Projekte und Firmen, mit denen Prigoschin außerdem in Verbindung gebracht wird, gibt es keine offiziellen Angaben, nur glaubhafte Recherchen unabhängiger Medien. So zeigten Journalisten 2019, wie etliche Firmen, die mit Prigoschin zusammenhingen, aber als unabhängige Konkurrenten auftraten, Aufträge des Verteidigungsministeriums gewannen.
Auch die Nachrichtenagentur Ria Fan wird Prigoschin zugeschrieben, die russische Propaganda verbreitet, sowie politische Berater, die ebenfalls in Afrika aktiv sind. Junge Männer, die Oppositionellen auflauern und sie verfolgen, werden ebenfalls mit Prigoschin verbunden. Zudem soll er der Organisator jener Troll-Fabrik in Sankt Petersburg sein, die soziale Netze in Russland, Westeuropa und den Vereinigten Staaten mit Kreml-Propaganda und Fake News überschwemmt.
Auch das amerikanische Finanzministerium hält Prigoschin für den Finanzier dieser Troll-Fabrik, die während des Präsidentenwahlkampfs von 2016 versucht habe, die amerikanische Öffentlichkeit zu beeinflussen. Es hat Prigoschin deshalb und weil er der „Financier hinter dem privaten Militärunternehmen ‚Wagner‘“ sei mit Sanktionen belegt. Prigoschin – der jede Verbindung zu Wagner bestreitet – nutze ein „komplexes Netzwerk“ von Scheinfirmen, um die Sanktionen zu umgehen und seine Besitzverhältnisse zu verschleiern, erklärte das Finanzministerium im April dieses Jahres und weitete die Sanktionen gegen mit ihm verbundene Geschäftspartner aus – was in Russland so etwas wie ein Ritterschlag ist.
Dass Prigoschin zu großem Reichtum gekommen ist, zeigen Fotos seiner erwachsenen Kinder auf Instagram, welche die Antikorruptionsstiftung von Alexei Nawalny vor dem Löschen sichern konnte: Darauf war eine 37 Meter lange Jacht mit goldenen Bettbezügen zu sehen, ein Privatflugzeug sowie Ausblicke aus einer palastartigen Villa am Schwarzen Meer.
Dieser Beitrag ist ursprünglich am 18.9.2021 erschienen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung / Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.