Usbekistan bleibt zutiefst autoritär
Schawkat Mirsijojew weiter Präsident Usbekistans, kritische Journalisten unter Druck
Am Anfang sei die Hoffnung groß gewesen, dass sich in Usbekistan etwas ändere, sagt Salidschon Abdurachmanow. Hoffnung hat der Einundsiebzigjährige noch. Doch geändert hat sich in seinem Heimatland in den vergangenen fünf Jahren wenig.
Abdurachmanow ist Journalist. Seit mehr als einem Jahr lebt er in Deutschland, weil er in Usbekistan nicht mehr sicher war. Der Anfang, von dem er spricht, war das Ende der Herrschaft des langjährigen Diktators Islam Karimow. Der Präsident, der mehr als ein Vierteljahrhundert lang in Usbekistan geherrscht hatte, war im Spätsommer 2016 gestorben. Sein Nachfolger, Schawkat Mirsijojew, versprach Reformen, eine Öffnung des isolierten Landes.
Tatsächlich gab es einige Fortschritte, vor allem wirtschaftlich. Mirsijojew liberalisierte die Landeswährung Sum, ging gegen die Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern vor, ließ politische Gefangene frei. Doch bei den Präsidentenwahlen, die am Sonntag im mit knapp 35 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Zentralasiens stattgefunden haben, stand der Gewinner schon vorher fest.
Usbekistan ist noch immer zutiefst autoritär
„Usbekistans politisches System ist immer noch zutiefst autoritär“, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht von Human Rights Watch. Die Reformen sind ins Stocken geraten. In einigen Bereichen habe es sogar Rückschritte gegeben, schreibt die Organisation. Vor allem die Meinungs- und Pressefreiheit sei wieder stark eingeschränkt worden. Kritische Blogger und Journalisten werden mit falschen Anschuldigungen vor Gericht gebracht.
Wie das ist, weiß Abdurachmanow. 2008 fand die Polizei bei einer Verkehrskontrolle Drogen in seinem Auto. Ein Gericht verurteilte ihn dafür zu zehn Jahren Haft. „Niemand hat mich je gefragt, woher ich die Drogen gehabt haben soll“, sagt er. Ein Drogentest fiel negativ aus.
Sein Anwalt beschuldigte die Polizeibeamten, dem Journalisten die Rauschmittel untergeschoben zu haben. In Usbekistan ist dies eine gängige Praxis, um Kritiker aus dem Verkehr zu ziehen.
Abdurachmanow stammt aus der autonomen Region Karakalpakstan im Nordwesten Usbekistans. Die Region ist von der Austrocknung des Aralsees besonders betroffen. Der Journalist berichtete für regierungskritische Medien über die ökologischen und gesundheitlichen Folgen in der Region. Ein bis heute schwieriges Thema für Journalisten in Usbekistan, impliziert es doch, dass die Regierung zu wenig zum Schutz der Bevölkerung tue.
Neun Jahre saß Abdurachmanow im Gefängnis. Im Oktober 2017, acht Monate vor dem regulären Ende seiner Haftzeit, kam er frei – unter Mirsijojew. „Doch auch in seiner Amtszeit saß ich noch ein Jahr im Gefängnis“, sagt er.
Nach seiner Freilassung arbeitete Abdurachmanow wieder als Journalist. Dann erfuhr er, dass die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Untersuchungen gegen ihn vorbereitete. „Ich hatte die Wahl zu schweigen oder zu gehen.“ Kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie floh er nach Tiflis.
Fluchtort für usbekische Journalisten: Georgien
Dorthin kommen viele Journalisten aus Osteuropa und Zentralasien, wenn sie sich in ihren Heimatländern nicht mehr sicher fühlen. Mit Hilfe der Organisation Reporter ohne Grenzen kommt er im August vergangenen Jahres nach Deutschland. Auf deren jährlicher Rangliste der Pressefreiheit kam Usbekistan auf Platz 157 – von 180 untersuchten Ländern.
Abdurachmanow betreibt nun von Deutschland aus einen Youtube-Kanal auf Usbekisch. Er ist nicht der einzige nach Deutschland geflohene Journalist aus Usbekistan. Bobomurod Abdullajew kam Anfang vergangenen Jahres nach Deutschland. Er hatte vor allem über die Korruption unter Karimow berichtet.
Als sein Pseudonym 2017 aufflog, wurde er verhaftet. Der Vorwurf: ein versuchter Regierungsumsturz. Während fast acht Monaten Untersuchungshaft wurde der Journalist nach eigenen Angaben gefoltert. Trotzdem kehrte Abdullajew im Frühjahr 2020 aus Deutschland nach Zentralasien zurück, wurde im Sommer wieder festgenommen. Mittlerweile ist er zurück in Deutschland.
Dass es wirtschaftlich auch Fortschritte unter Mirsijojew gebe, betont Salidschon Abdurachmanow. Doch wie mit den Menschen umgegangen werde, sei einfach nur „schrecklich“.
In Deutschland habe er gesehen, wie Menschen für ihre Rechte demonstrieren, ohne dass die Polizei gewaltsam einschreitet. Noch immer klingt Staunen aus seiner Stimme, wenn er davon erzählt.
In Usbekistan haben Journalisten erst kürzlich einen millionenschweren Korruptionsskandal rund um den Mirsijojew-Clan aufgedeckt. Schaden wird dem Präsidenten das kaum. Echte Oppositionskandidaten wurden zur Wahl erst gar nicht zugelassen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich am 25.10.2021 erschienen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung / Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.